Biografie - Johann Sebastian Bach
Richard Wagner hat das gesagt, als er auf Johann Sebastian Bach angesprochen wurde, und immer noch gibt Bach mehr als nur ein Rätsel auf: Wo hat er das Komponieren gelernt? War er nun demutsvoll-gläubig oder ein eher aufbrausender Charakter? Immerhin wurde Bach in Köthen wegen seiner Halsstarrigkeit vom 6. November bis 2. Dezember 1717 „arretiret“, also ins Gefändnis gesetzt. Und überhaupt: Wer ist der Mensch hinter all diesen unerhörten Schöpfungen, der mit Zehn im Abstand eines dreiviertel Jahres Mutter und Vater verliert, der in der engen Wohnung seines Bruders Johann Christoph groß wird und fast schon wie in Fronarbeit 1126 Kantaten, Präludien, Messen und Choräle schöpft – ja: schöpft, genauso wie jenes Wesen schöpfte und schuf, in dessen Dienste stehend sich Bach wohl immer verstand: Gott, der Allmächtige. Oft schrieb er über seine Werke: S.d. g., das heißt „soli deo gratia“ – Gott allein zu Ehren.
Johann Sebastian Bach wird in Eisenach geboren. Bekannt ist das Jahr seiner Geburt (1685), nicht aber der Tag: Wenn der julianische Kalender in Thüringen Anwendung gefunden hat, wurde Bach am 21. März geboren; galt der gregorianische Kalender, muss man als Geburtstag den 31. März annehmen. Doch wie auch immer: Bedeutsamer als der genaue Tag waren für Bachs Lebenslauf sicherlich die ersten zehn Jahre in einem Ort, der dem Jungen all das bot, was dem Erwachsenen zum Lebensinhalt werden sollte: Sein Elternhaus diente als Stadtpfeiferei (es sorgte also für die musikalische Gestaltung bei Stadtfesten), Bach besuchte die traditionsreiche Lateinschule im alten Dominikanerkloster (und wurde hier wohl intensiv im Glauben erzogen), in der Hauptkirche St. Georg erlebte er Orgelspiel und den Figuralchor, und vom Rathaus herab konnte er die Turmbläser sehen und hören.
Die Umgebung Eisenachs also hat auf den Knaben inspirierend gewirkt – sein Talent allerdings hat er wohl vererbt bekommen: Bach ist Spross einer Musikerfamilie, deren Ursprung im Ururgroßvater Veit Bach zu finden ist, ein Bäcker und ein begabter Lautenspieler – und der Stadtpfeifer von Gotha. Bachs Vater Ambrosius Bach spielt Orgel, Violine und Trompete. Mit 15 erhält Bach ein Stipendium an der Lüneburger Klosterschule Michaelis, und kaum ist die Schulzeit zu Ende, findet Bach seine erste Anstellung als Violinist am Hofe von Johann Ernst von Sachsen-Weimar. In dieser Zeit betätigt er sich als Orgelgutachter, mit 18 gilt er bereits als Virtuose und wird Organist in Arnstadt. Wo er sich seine Fähigkeiten auf Violine und Orgel angeeignet hat, bleibt im Verborgenen. Einzig ein vierwöchiger Studienaufenthalt in Lübeck beim Organisten Dietrich Buxtehude ist verbürgt, aber das war 1705, da war Bach 20.
Bachs Auktionsradius bleibt überschaubar; darin unterscheidet er sich fundamental von beispielsweise Georg Philipp Telemann oder Georg Friedrich Händel. Telemann wirkte in Paris, Händel verbrachte Jahre in Italien und wurde in England zum Nationalhelden. An der Person Bach wirkt alles bescheiden, unspektakulär – seine Arbeit galt Gott und dem jeweiligen Dienstherren. Bach war reich und unbescheiden in seiner Musik, aber es war einzig die Musik, die galt, nicht er, der Mensch und Komponist.
Vielleicht weil er so wenig Aufhebens von sich machte, geriet Bach nach seinem Tod für beinahe achtzig Jahre in Vergessenheit, bevor ihn die Romantiker wiederentdeckten und seine Musik „ausgruben“. Erst mit der Wiederaufführung der gekürzten Matthäus-Passion durch den damals 20-jährigen Felix Mendelssohn Bartholdy im Jahr 1829 setzte die Bach-Renaissance ein. Zögerlich zunächst, dann aber immer stürmischer.
In den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gab es intensive Forschungen zu Bach und seinen Werken. Die Werke kann man verstehen, aber nicht wirklich fassen. Den Menschen Bach kann man vielleicht verstehen, aber auch er ist nicht (mehr) zu fassen. Und somit behält Wagners Ausspruch vom „größten Rätsel aller Zeiten“ wohl auf immer seine Gültigkeit.