Interpreten und ihre Interpretationen von Bachs „Kunst der Fuge“
Glenn Gould (1932 – 1982)
Evgeni Koroliov (*1949)
An Evgeni Koroliov scheiden sich die Geister: „Professoral“ nennen ihn die einen (Koroliov lehrt an der Musikhochschule Hamburg) – andere schätzen genau das: seine von Allüren und Attitüden unberührten Auftritte. In Musikerkreisen wird seine Aufnahme der „Kunst der Fuge“ hoch geschätzt; vom Komponisten Györgi Ligeti wird die Aussage kolportiert, dass er genau diese Einspielung mit auf die berühmt-berüchtigte einsame Insel mitnehmen würde.
Reinhard Goebel und die Musica Antiqua Köln
Als die Musica Antiqua Köln unter ihrem Leiter Reinhard Goebel Mitte der siebziger Jahre die Bühnen der Welt betrat, war es, als würde ein Schleier von den Ohren gezogen, der bis dahin verhindert hatte, barocke Musik in all ihrer Klarheit wahrzunehmen. Goebel hatte sich während seines Violinstudiums nicht nur dem Instrument gewidmet, sondern auch intensive Forschungen zur historischen Aufführungspraxis betrieben. Diese Erkenntnisse und sein enormes Wissen setzte er mit dem Ensemble Musica Antiqua Köln um. Es liegt eine Einspielung vor, in der Goebel die „Kunst der Fuge“ für Orchester instrumentiert und mit der Musica Antiqua Köln eingespielt hat.
Pierre-Laurent Aimard (*1957)
„Wie kann man sowohl die Architektur der ‚Kunst der Fuge‘ darstellen und zugleich ihre Lebendigkeit, ihre tänzerischen Elemente?“ Mit dieser Frage formuliert der Franzose Pierre-Laurent Aimard seinen Weg, sich der „Kunst der Fuge“ zu nähern. In dem preisgekrönten Film „Pianomania“ ist Aimard einer der Protagonisten, 2009 erhielt er die Ehrenurkunde des „Preises der deutschen Schallplattenkritik“. Aimard hat an einer CD für Kinder mitgewirkt. Unter dem Titel „Der kleine Hörsaal“ wird dort unter anderem die Frage beantwortet: „Wisst ihr, was eine Fuge ist?“
Tatiana Nikolayeva (1924 – 1993)
In Deutschland zunächst weitgehend unbekannt, hat sich die russische Pianistin Tatiana Nikolayeva vor allem im Ostblock einen Namen gemacht. Nach dem Zweiten Weltkrieg betrat sie auch die Bühnen des Westens. Eine Einspielung der „Kunst der Fuge“ zeigt sie als robuste, kräftige Pianistin mit teilweise eigenwilliger Herangehensweise an die Aufgabe. Nicht, dass ihre Spielweise exaltiert ist, auf Oberflächlichkeit gebügelt – im Gegenteil: Manchmal klingt ihr Spiel in seiner Innerlichkeit nahe an dem von Gould.
Robert Hill (*1953)
Rober Hill leitet das Institut für historische Aufführungspraxis an der Hochschule für Musik Freiburg – sein Bruder Keith ist Produzent historischer Tasteninstrumente. Naheliegend, dass Hill die „Kunst der Fuge“ auf dem Cembalo einspielte und somit einen Klangrausch inszenierte, wie er vielleicht Bach selbst vorgeschwebt haben mag – aber das ist Spekulation. Und so bleibt nur stehen, dass das Myterium Bach, das Rätsel um die „Kunst der Fuge“ (der Titel stammt übrigens nicht einmal vom Komponisten selbst) mit jeder Beschäftigung neue Facetten gewinnt und niemals etwas von seiner Faszination verlieren wird.